Thromboserisiko durch Zuckerersatzstoff Erythrit?

24.06.2024 - Eine aktuelle Studie zeigt: Der Süßstoff Erythrit erhöht womöglich Thrombose- und Infarktgefahr und kann somit besonders für Risikogruppen gefährlich werden. Die Deutsche Herzstiftung hat Forscher des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) für diese Forschungserkenntnisse mit dem Wissenschaftspreis der Josef Freitag-Stiftung ausgezeichnet.

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Der häufig verwendete Süßstoff „Erythrit“ gilt als natürliche und gut verträgliche Alternative für Zucker. Erythrit wird aus Mais gewonnen und gerne als Zuckeraustauschstoff genutzt, da die Substanz nahezu frei von Kalorien ist und den Blutzucker- und Insulinspiegel nicht beeinflusst – wodurch das Süßungsmittel auch für Menschen mit Diabetes mellitus attraktiv ist. In natürlicher Form kommt Erythritol in verschiedenen Lebensmitteln vor wie Pilzen oder Pistazien.

Zugleich steht der Zuckerersatzstoff unter Verdacht, die Gefahr für Thrombosen und Infarkte zu erhöhen. Was bedeutet das für die Verbraucher? Zuckerersatzstoffe werden zum Beispiel in großen Mengen von der Nahrungsmittelindustrie in hochverarbeiteten Lebensmitteln (sogenannte „Processed foods“) verwendet, um deren Zucker- und Kaloriengehalt zu reduzieren. Mediziner*innen sehen besonders kritisch, dass von Herstellerseite vor allem vulnerablen Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Adipositas) die Einnahme von Süßstoffen als zucker- und kalorienreduzierte Option empfohlen wird. Denn diese Personen weisen aufgrund ihrer Vorerkrankungen bereits ein erhöhtes Thromboserisiko auf.

Ein internationales Forscherteam hat nun anhand von Blutproben bei mehr als 4000 Proband*innen aufzeigen können, dass erhöhte Blutkonzentrationen des Zuckeralkohols Erythritol (daher der Name „Erythrit“) mit thromboembolischen Komplikationen in Verbindung stehen. Die Arbeit hatte nach ihrer Erstveröffentlichung 2023 eine große öffentliche Diskussion über die Sicherheit von Zuckerersatzstoffen ausgelöst.

Daten zur kardiovaskulären Sicherheit von Süßstoffen fehlen

Bislang wurde davon ausgegangen, dass die Substanz zwar in die Blutbahn aufgenommen wird, aber dann wieder nahezu vollständig über die Nieren ausgeschieden wird. Zudem fehlten Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Süßstoffen und kardiovaskulären Ereignissen untersuchten. „Damit bleibt unklar, welche Süßstoffe potenziell gefährlich für Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren sind“, erklärt Dr. med. Marco Witkowski, Facharzt für Kardiologie an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC), Campus Benjamin Franklin. „Das Fehlen von Daten zur kardiovaskulären Sicherheit von Süßstoffen stellt ein relevantes Problem in der Versorgung der Bevölkerung dar.“

In der Studie wurden nun über drei Jahre hinweg Personen mit einem hohen Risiko für Schlaganfall oder Herzinfarkt beobachtet und mit unabhängigen Patientenkohorten aus den USA (über 2100 Personen) und Deutschland (über 830 Personen) verglichen. Bei Teilnehmer*innen, bei denen es in dieser Zeit zu Schlaganfall, Herzinfarkt oder gar Tod kam, wurde im Blut ein erhöhter Erythritol-Spiegel festgestellt. In einem Laborversuch wurde zudem nachgewiesen, dass der Zuckeraustauschstoff die Blutgerinnung und damit die Bildung von Gerinnseln (Thromben) beschleunigte.

Studie wurde prämiert

Für seine Forschung im Rahmen der Studie wurde Dr. Witkowski von der Deutschen Herzstiftung mit dem Wissenschaftspreis der Josef Freitag-Stiftung ausgezeichnet. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. „Ein Zusammenhang zwischen Süßstoffkonsum und Herz- und Gefäßereignissen war zwar aufgrund von epidemiologischen Studien vermutet, jedoch bis dahin nur unzureichend untersucht worden“, erklärt der Arzt und Wissenschaftler Dr. Witkowski zur Studie.

Noch viele Fragen offen, weitere Studien nötig

Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt sind, bewerteten die Ergebnisse mit Zurückhaltung, da zu viele Fragen noch offen seien. Vielmehr sollten die Daten als wichtiger Hinweis genutzt werden, Erythritol wie auch andere Zuckerersatzstoffe in umfassenden Langzeituntersuchungen weiter unter die Lupe zu nehmen. Bis dahin muss auf Zuckeraustauschstoffe nicht verzichtet werden, sie sollten allerdings generell nur in mäßigen Mengen konsumiert werden.

Originalpublikation

Witkowski M et al. The artificial sweetener erythritol and cardiovascular event risk. Nat Med 2023; 29: 710–718.

Quelle: Deutsche Herzstiftung